DAS DACH ÜBER DEM KOPF
Menschen wünschen sich für ihren Lebensort Sicherheit, Geborgenheit und
Zugehörigkeit. Ein solcher blieb Verdingkindern und Opfern fürsorgerischer
Zwangs-massnahmen verwehrt. Das Dach zeigt einen anderen Weg, wie er auch
hätte sein können. Vielleicht gerät es zum schützenden Dach über
zukünftige Bemühungen und Verbesserungen im gesellschaftlichen
Zusam-menleben von Stärkeren und Schwächeren, Privi-legierten und
Benachteiligten. Versöhnlich wirkt auch die grosse Buche, die ihre Äste
schützend über der Skulptur ausbreitet.
RAD
Das Rad ist eine Metapher für den Lebenslauf schlechthin. Durch seine
Position in der Skulptur steht es auch für Trennendes. Eine Kreisscheibe
mitten durch ein Haus oder durch ein Leben. Eine unfreiwillige Trennung
von der Familie oder von der gewohnten Umgebung, erfahren die meisten
Menschen als traumatisch. Der Weg von Verdingkindern oder Opfern von
fürsorg-erischen
Zwangsmassnahmen gleicht oft einer Abfolge von Trennungen und Verlusten.
Vieles ist nachzulesen in Foren des Internets. Und erschreckend ist, wie
ähnlich sich die Lebenswege sind. Nicht von Ungefähr kommt die sprachliche
Wendung, dass man „in einer Mühle ist“, auch der Begriff „Amtsmühle“ ist
assoziierbar. Betrachter und Benutzer der Skulptur bekommen mit dem
Rad etwas in die Hand, das sich bewegen, drehen, anhalten lässt.
Symbolisch kann den Opfern in dieser Weise etwas zurückgegeben werden.
Für gesellschaftliche Entwicklungen sind wir mitver-antwortlich.
Kritische Fragen und womöglich auch Handlungsbedarf stellen sich auch
heute. Die Interaktion mit dem Rad assoziiert an die
Eigenverantwortlichkeit.
HAUS - ZUHAUSE
Die Angst vor einer Trennung ist eine Urangst von Kindern und Erwachsenen.
Auf einmal nicht mehr nach Hause gehen zu dürfen. An einen anderen Ort
versetzt werden. Keinen Boden unter den Füssen haben. Bäume haben
Wurzeln, Häuser ein Fundament. In der Skulptur sind es eingravierte
Internetadressen, die zu den Betroffenen führen. Was geschehen ist, wiegt
schwer, das wird klar, wenn man sich kundig macht.
INSCHRIFT
"Der Runde Tisch wurde im Juni 2013 von Bundesrätin Simonetta Sommaruga
eingesetzt. Der Runde Tisch hatte den Auftrag, eine umfassende
Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremd-platzierungen
vor 1981 vorzubereiten und in die Wege zu leiten.“ (Homepage Bundesamt für
Justiz).
Die umfassende Aufarbeitung ist der ausdrückliche Wunsch des „Runden
Tisches.“ Das soll auch für den Erinnerungsort gelten. Biografien und
Schilderungen von Betroffenen sind dabei evident. Man findet sie vielfach
im Internet. Die eingravierten Adressen sind eine Auswahl und erheben
nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
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BAUM Den Menschen ihre Würde geben. Die prächtigen Buchen strahlen diese Würde
aus. Die Skulptur mit ihrer schlanken und aufragenden Form wird Teil der
Baumgruppe
EISEN – LEBEN – KÄLTE Eisen
wird aus dem Boden gewonnen. Bis zum brauchbaren Wertstoff durchläuft es
eine Reihe von Prozessen. Sehr wichtig dabei ist das Feuer. Dessen Energie
steckt noch im fertigen Objekt, wo sie durch den langsamen Prozess der
Oxidation wieder abgebaut wird. Eisen taugt durchaus als Metapher für
Leben
Eisen fühlt sich kalt an. Auch die Assoziation zu Kälte stimmt. Und Kälte
ist wohl jenes Gefühl, das Verdingkindern und Opfern fürsorgerischer
Zwangs-massnahmen in hohem Mass entgegengebracht wurde. Wie man heute aus
gesicherten Quellen weiss und was man damals mindestens gefühlsmässig
schon wissen konnte: Für Kinder ist emotionale Kälte lebens-bedrohlich.
Und wie Biografien von Überlebenden zeigen, wiegt sie zeitlebens schwer.
WEGE DIE KREUZEN
In jedem Menschenleben gibt es Kreuzungen als
schicksalshafte Wendungen oder Orte der Entscheidung. Als Beispiel nenne
ich die Berufswahl. Verdingkinder haben oft eine schwierige und
schmer-zhafte Lernbiografie. Selten wurden sie gefragt, was aus ihnen
werden soll. Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen
hatten meist keine Gelegenheit, um sich über ihre Interessen und
Begabungen klarzuwerden. Oft mit der fatalen Auswirk-ung, dass die
Betroffenen auch selber an ihre Abwertung glaubten. Die Platzierung der
Skulptur auf dem Kreuzweg gibt ihnen wenigstens symbolisch die Möglichkeit
von Entscheidungen zurück.
AUSFÜHRUNG
Material: INP 220: 220/98 mm, Oberfläche: Walzhaut / Zunder. Basis:
Eisenplatte, 8mm unterfangen mit Winkelstahl rund, ungleichschenklig
220/98 mm: Oberfläche: Walzhaut / Zunder. Achse: Rundstahl, unbehandelt
Lager: Pendelkugellager: geringe Abweichungen der Achsrichtung werden
ausgeglichen. Rad: Eisen, Laserschnitt. S 20 mm, Oberfläche
unbehandelt. Verankerung: Zur Schonung der Baumwurzeln kommen
Bodenanker zur Anwendung. Eindrehtiefe ca. 900 mm.
Gewicht. Ca. 1'000 Kg
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