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Marianne Jensen und Arno Hermer |
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DAS MENSCHLICHE MASS
von Marianne Jensen und Arno Hermer |
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Sieht man sich das Objekt von der anderen Straßenseite an, dann
wird offenkundig, wie genau, ja schon fast hinterhältig Baviera es
in den Ort eingefügt hat. Das Terrassengeländer des
Cafés an der Straße schließt sich optisch ohne Bruch
an die Oberkante des Observatoriums an. Das ist dennoch ein eher
zufälliger Effekt, der den Humor seiner Arbeiten aufblitzen
lässt. Im Innern des Käfigs bewegen sich Passanten. Sind sie
nur neugierig genug, können sie das Ganze mit allen Sinnen
erfassen. Die Stahlwände verändern den Klang der
vorbeifahrenden Autos, sie haben zudem ihren eigenen Ton. Die
Trittgeräusche auf den Bodenblechen mischen sich mit den Stimmen
der Vorübergehenden, das Stahldach verändert das
Geräusch des Regens. Jeder Bereich des stählernen Ganges hat
seine spezifische Tastqualität; es lassen sich unterschiedliche
Geräusche ausmachen. Schwitzwasser und Regen haben Rostfelder von
Orange bis Schwarz auf den Stahl gezeichnet. |
Alle Arbeiten, die Vincenzo Baviera baut - und hier stimmt der
Handwerkerbegriff wie selten bei einem Bildhauer - laden zu aktiver
Bewegung ein. Man kann hineingehen, sie in Bewegung versetzen, zum
Klingen bringen, ihr Zeitmaß erleben. Immer erfährt der
Betrachter etwas über seine Existenz im öffentlichen Raum,
über die bis dahin unbefragten Perspektiven des Alltäglichen
und der Architektur. |
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Die äussere Einteilung beim plastischen Werk Vincenzo Bavieras kann sich an Dimensionen orientieren: Da sind die Stadtobservatorien begehbare Bauten im öffentlichen Raum. Eine andere Werkgruppe machen die " Räderwerke" aus, bei denen große Räder mit Durchmessern bis zu vier Metern, gebaut aus Metall oder Holz, durch Seile oder Ketten miteinander verbunden sind. Sie bewegen sich nur gemeinsam. Andere Arbeiten überschreiten diese Größenordnung noch deutlich. Ein"RAD 3)" aus dem Jahre 1983, begehbar und in Bewegung zu versetzen, erreicht 13 Meter im Durchmesser und 7 Meter Höhe. |
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Eine der stärksten Werkgruppen der letzten Zeit, die Kleinplastiken mit dem Namen "KOPF EINES KÖNIGS 5)" , formulieren eines von Bavieras Grundthemen auf engstem Raum. Es hatte von jeher auch seine großen Arbeiten bestimmt: Die Hoffnung, der Mensch sei souverän genug, seine Machtgebärden spielerisch, für sich selbst zu formulieren, ohne Dritte dazu missbrauchen zu müssen. Die Konstruktionselemente der Arbeiten sind so aufeinander bezogen, dass sie sich auch gegenständlich lesen lassen. Darauf deuten einige Titel hin: " Müder Krieger" ,"Wächter" . |
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Dennoch kommt Bavieras Arbeit ohne jede Metapher aus. Alles bleibt durchschaubar, klar, nachvollziehbar. Nichts ist verschliffen, verspachtelt, vertuscht, nichts zielt auf Einschüchterung, nichts ist zynisch. Er beharrt auf der Bewegung, die seinen Arbeiten innewohnt, möglichst alle Sinne will er an dem beteiligen, was er "Besiedelung" nennt. Das ist eines der Schlüsselworte für seine Bildhauer-Architektur. Besiedelung ist das Gegenteil von Eroberung. Sie schafft neuen Raum. |
Hinzu kommt der Ethos eines Hand-Werkes: " Bei meiner Arbeit möchte ich ohne viel Fremdarbeit aus- kommen. Wenn ich Aufträge auswärts vergebe, halte ich mich davon ab, eigene praktische Erfahrungen zu machen und dabei zu lernen." Die Art, wie Vincenzo Baviera die Grundmaterialien verwendet, verändert ihre gewohnte Sinnesqualität. Eisen, sonst hart, kalt, schwer wird warm, schwebend, organisch. |
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So erinnert ein Großobjekt in Recklinghausen an, der "WAGEN 6)", einen filigranen Flugapparat, ein Blattgerippe, das der Wind jederzeit verwehen kann. Dabei ist es 12 Tonnen schwer, aus Fahrleitungsmasten und dem 6-Meterrad eines Förderturms gebaut. |
6) 1991 Recklinghausen: WAGEN Europäische Werkstatt Ruhrgebiet |
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Gerade ihre Konkretheit verschafft seinen Plastiken und Installationen die Fähigkeit, den Betrachter an die Grenze seiner Wahrnehmung zu führen. Das "WASSERWERK 7)" im Züricher Vorort Dübendorf zeigt, inmitten eines Baches, eine Konstruktion, bei der schrägstehende Metallstangen scheinbar bewegungslos über die Wasserfläche ragen. Ein Getriebe. das vom Durchfluss des Wassers gesteuert wird, bewegt sie im Verlauf von 15-20 Minuten hin und her. Es entzieht sich der unmittelbaren Beobachtung. Wer davorsteht, kann sein Zeitgefühl, seinen Sinn für Langsamkeit prüfen. Manchmal bricht Streit zwischen den Betrachtern aus: "Es ist nicht in Betrieb!" Dennoch begegnen sich die Stangen alle 20 Minuten einmal. Wie die meisten seiner Arbeiten behauptet auch diese bewegliche Plastik die Stellung gegen die Einengung von Wahrnehmung und Erfahrung: |
7) 1990 Dübendorf: WASSERWERK |
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" E poi si move! " Und sie bewegt sich doch. Der widerborstige schweizer Italiener Vincenzo Baviera beharrt mit seinen Objekten deren größte ohne Schwierigkeit Haushöhe erreichen auf dem menschlichen Maß als der verpflichtenden Grundeinheit. |
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